Der Messias, the “lame duck” oder der böse Hänsel?

Rückblende

Neben der zunehmenden sportlichen Kritik musste Teamchef Didi Constantini vermehrt Kritik wegen seines Umganges mit den Medien einstecken. Unrühmlicher Höhepunkt war sicherlich die abgebrochene Pressekonferenz mit anschliessender Journalistenbeschimpfung (“Trottelsager”). Es folgte der Rücktritt Constantinis (letztlich auf Raten) und die Bestellung von Marcel Koller als Nachfolger ab 1.11.2011.

Bei geschätzten 8 Millionen Teamchefs, die Österreich hat, war relativ klar, dass die Nachbesetzung intensiv diskutiert, unzählige Namen genannt und verteufelt (“Oh, Gott, der oba net”) werden. Das Interessante an dieser Bestellung war allerdings, dass

  • sie nicht nur eine Personendiskussion, sondern auch eine auch Systemdiskussion wurde
  • isotretinoin without prescription

  • die Front zumindest teilweise eine Bruchlinie in den Medien darstellte (Oldmedia vs. Newmedia)
  • die Sachlichkeit der Diskussion sehr rasch litt, und es damit in meinen Augen sehr bald zu einer Schwarz-Weiss-Diskussion kam

Der Name Marcel Koller kam ob des öffentlichen Name-Droppings für viele überraschend, und die scheinbaren, vielfach genannten Favoriten (Foda, Rehagel, Daum, Gludovatz, …) gingen leer aus. Das war möglicherweise ein Punkt der zur Eskalation der Diskussion beigetragen hat, da die Befürworter einer anderen Lösung am falschen Fuss erwischt wurden. Legendär in diesem Zusammenhang ist die ORF-Diskussionsrunde (verlinkt bei 90minuten.at (dank an HerrNoiza für den Hinweis).

Wenn ein Herbert Prohaska in seiner Kolumme in der Krone Marcel Koller mit den Worten

Seine Erfolge als Spieler sind unbestritten, jene als Trainer liegen lange zurück, zuletzt ist er in Deutschland zweimal entlassen worden.

begrüßte, gleichzeitig aber Kurt Jara als gute Alternative bezeichnete, dann war das mehr als kurios. Kurt Jara ist lt. Wikipedia als Trainer bei seinen letzten 3 Stationen wegen Erfolgslosigkeit (2003 HSV, 2005 Kaiserslautern) bzw. aus anderen Gründen (2006 Salzburg) entlassen worden.

Aber auch auf der anderen Seite war die Argumentation nicht immer ganz treffsicher, wenn in regelmäßiger Falschheit die Kritiker der Bestellung Kollers (merke: nicht “Kritiker Kollers”) als “78er Seilschaft” oder “Cordoba Connection” (wie mehrfach in den Kommentaren zu Blumenaus Fußball-Journal z.B. hier) bezeichnet wurde. Wohltuend hob sich hier der Kommentar Philip Bauers ab.

Spätestens dann, als die Diskussion bei Kommentaren der Art

Wie die Havara-Partie um Prohaska – Herzog sich aufregt! Daran erkennt man aber leicht, dass eine richtige Entscheidung beim ÖFB getroffen wurde.

angelangte, war klar, dass die Zeit einer differenzierteren Sicht der Dinge vorbei war. Die unsachlich vorgetragene Kritik, in vielen Punkten war sie auch tatsächlich unsachlich, führte in meinen Augen zu einer – jedenfalls zu hinterfragenden – Überhöhung des neuen Teamchefs und insbesondere seines Erfinders, Willi Ruttensteiner.

Unter der Überschrift Wie beschwerlich war der Reform-Weg Ruttensteiners? hiess es da in der Kolummne von Gerald Gossmann “Qualitätsjournalismus für Qualitätsfussball”:

Wer Willi Ruttensteiner befragt kriegt Antworten. Wer nachfragt kriegt die Wahrheit. Ruttensteiner scheiterte mit seiner Strukturreform jahrelang an Fortschrittsverweigerern und falscher Bescheidenheit. Eine Skizze, die zeigt wie beschwerlich der Weg Ruttensteiners war, den ÖFB in die Neuzeit zu führen.

Ganz abgesehen davon, dass ich mit Formulierungen der Art “wer nachfragt kriegt die Wahrheit” so meine Probleme habe (wegen ihrer Pauschalität), entsteht da für mich der Eindruck, dass da jemand messiasartig (“führt den ÖFB in die Neuzeit”) auf das Schild gehoben werden sollte, und in einem Aufwaschen auch gleich mögliche kritische Fragen an Ruttensteiner (“so lange im Verband und erste jetzt kommt die Reform?”) vom Tisch gewischt (“es waren die bösen Fortschrittsverweigerer”) werden sollten.

Fragen an Ruttensteiner, ob seiner von ihm zu verantwortenden Erfolge gabs genug. Alleine sie wurden nicht gestellt. Klar, ist es seltsam, wenn ein Sportdirektor keine Kompetenz für einen A-Teamchef hat. Nur, er hatte Kompetenz für den gesamten Nachwuchsbereich und viele seiner (!) Nachwuchsteamchefs stehen in der massiven Kritik so mancher der 8 Millionen Teamchefs. Ein Manfred Zsak, der zuvor U21-Teamchef war und massiv für das seinerzeitige Entscheidungsspiel gegen Finnland in der Kritik stand, wird als Cotrainer abgesetzt und ihm wird die Nachfolge von Thomas Janeschitz angeboten. Wo ist da der neue Trainings-/Trainerstil zu erkennen, der mit Marcel Koller kommen sollte, und durchgängig auch in den Nachwuchsmannschaften gelten sollte?

Die Verantwortung Ruttensteiners für den “österreichischen Weg” und die konkreten Konsequenzen auf die tägliche Arbeit der vielen Nachwuchsbetreuer in den kleinen und mittleren Vereinen wurde und wird nicht hinterfragt (Vielleicht schreibe ich dazu noch einmal was).

Ich habe damals Kollers Auftreten und Handeln als positive Entwicklung wahrgenommen und tue es noch. Über Ruttensteiners Rolle war ich mir damals schon nicht sicher und bin es immer noch nicht.

Ruttensteiner, der Messias?

Der konkrete Anlass

In der bereits erwähnten ORF-Diskussionsrunde trat auch Werner Gregoritsch auf und tat sich nun nicht gerade als Verteidiger Kollers auf. Im Rahmen einer Trainerfortbildung, bei der Gregoritsch vortrug, wurde er angesprochen, ob er den vakanten Posten des U21-Teamchefs übernehmen wolle.

Der erste Gedanke, als ich von der Bestellung Gregoritsch’ erfuhr, war:

Und was sagt uns das über Ruttensteiner, der mit Kollers Bestellung zum “Messias” erhoben wurde?

Da waren sie wieder, meine Zweifel. wuchale vermutete, dass es sich um einen Deal handle:

krieg ich den koller, kriegt ihr ‘einen von euch’, wenn die u21 frei wird … nur so ein Gedanke

Auch die Theorie der Konterrevolution war zu lesen (12terMann_AT):

Die Gregoritsch-Bestellung riecht sehr stark nach Konterrevolution im ÖFB. Das Haberer-Imperium schlägt zurück…enttäuschend.

Buy cheap Lasix

Das Interview von Werner Gregoritsch, das er sportnet.at gegeben hat, gewährt so manche Einblicke.

Von einer einheitlichen taktischen Linie in allen Nationalteams nach Vorgabe des A-Trainers hält er nichts. War das nicht eines der Argumente für die Strukturreform?

Die Frage, ob er sich mit Koller auf einer Wellenlänge fühle, beantwortet er mit “ja, wir haben 2000 schon gegeneinander gespielt”. Hä?

Und interessant ist, dass sich sein Vertrag unabhängig vom sportlichen Erfolg und unabhängig von der Zusammenarbeit der Teamchefs untereinander verlängert, wenn Österreich die EM 2015 ausrichtet.

Sollte Ruttensteiner tatsächlich seinen Wunschkandidaten Koller nur aufgrund “fauler” Kompromisse durchgebracht haben? Ist er ein Sportdirektor, der auch nach der Strukturreform nur am Papier die Macht hat Dinge zu bewegen und verändern?

Ruttensteiner, the “lame duck”?

Die Geschichte vom bösen Hänsel, der bösen Gretel und der Hexe von Paul Maar

Und dann ist da noch diese spezielle Märchenversion, die mir nicht aus dem Kopf geht. Paul Maar erzählt Hänsel und Gretel auf eine neue Art und Weise, die einem lehrt, dass dieselben Fakten im Umfeld eines völlig anderen Kontextes eine völlig konträre Geschichte ergeben.

Da wird zum Beispiel aus der Sache mit dem Knochen, mit dem Hänsel und Gretel ihre Magerheit vortäuschen im einen Kontext eine Schutzhandlung und im anderen Kontext eine böse List, mit der sich die beiden noch länger im Haus aufhalten wollen.

Die Fakten im Fall Ruttensteiner sind wohl ausser Streit:

  • Koller ist seine Erfindung
  • Die Zuständigkeit für die U-Nationalteams hat er wohl schon länger, und nicht erst seit kurzem
  • So manche aktuell und in der Vergangenheit tätige U-Teamchefs passen nicht zu dem Konzept, dass Koller als Beispiel eines Trainer neueren Typs signalisieren soll
  • Asacol online

  • Insbesondere die Bestellung Gregoritsch angesichts der Vorgeschichte bei der Bestellung Kollers wirft viele Fragen auf

Warum wurde nicht Paul Gludovatz Trainer? Er hatte nachweislich Erfolg im Nachwuchs, er zeigt gereade mit Ried, was er für ein erstklassiger Trainer ist, und er kennt den ÖFB in- und auswendig, und mit ihm wurde letzlich doch auch gesprochen. Ein möglicher Kontext, in den all das reinpassen könnte, wurde schon mehrmals artikuliert. Allerdings zu einem Zeitpunkt und in einem Umfeld, in dem eine differenzierte Sicht der Dinge -wie schon erwähnt – kaum Chance auf Wahrnehmung hatte. So sehr Herbert Prohaska mit so manchem bei Kollers Bestellung daneben gegriffen hat, mit dem hat er vielleicht recht:

Es entsteht der Eindruck, dass jener Trainer ausgewählt wurde, der am meisten bereit war, mit Willi Ruttensteiner zusammenzuarbeiten. Ein Großteil der Trainer will die volle Verantwortung übernehmen. Man arbeitet eng mit dem Trainerteam und den Physiotherapeuten zusammen, aber nicht mit dem technischen Direktor.

Hätte Gludovatz Ruttensteiners Strukturreform vielleicht nicht akzeptiert? Und Marcel Koller, der vielleicht endlich wieder ein Engagement haben wollte, schon?

Vielleicht ist ja Marcel Koller (und seine ersten Handlungen deuten in diese Richtung) der Glücksgriff für den österreichischen Fußball. Aber vielleicht waren Ruttensteiners Motive ganz andere, als man uns ganze Zeit weismachen will. Vielleicht hat er einfach die Gunst der Stunde genutzt, um für sich einen Vorteil/Macht/Kompetenz rauszuholen. Dafür, ob sein Motive in einer nachhaltigen Strukturreform liegen, gibts genügend Zweifel.

Ruttensteiner, der böse, machtorientierte Hänsel?

Conclusio

Ich bin mir noch nicht sicher, was Ruttensteiners Rolle wirklich ist. An der Rolle des heldenhaften Messias habe ich meine Zweifel. Und Du/Sie?